Foto: © Niki Schreinlechner | www.nikischreinlechner.at

Leoben

Das „irdische Übel“ – Wie der Schwammerlturm entstand

Beim Verhör – er wurde erst nach der stundenlangen Einvernahme ärztlich versorgt – gab er an, bereits 1977 einen Mann in Deutschland erschlagen zu haben. Er war daraufhin untergetaucht, hatte sich mit falschem Namen

Seismologisch betrachtet, liegt die Steiermark nicht unbedingt auf ungünstigem Boden. Dennoch kam es im Lauf der Zeit zu Momenten, in denen manche Orte kurz davor waren, von der Erde verschlungen zu werden.

Leoben, 6. Februar 1794, 20 Minuten nach 13 Uhr. Hausgeräte fielen von den Kästen, Wände zitterten, die Menschen liefen verängstigt auf die Straßen. Das heftigste Beben seit hundert Jahren hatte soeben die Stadt erschüttert. Es sollte nach heutigen Erkenntnissen überhaupt das heftigste Erdbeben im gesamten Steirerland bleiben.

Einen Tag danach, am 7. Februar, berichtete die Grätzer Zeitung noch davon, dass man „allhier ein ziemlich heftiges Erdbeben verspürte“, einen weiteren Tag später hieß es, dass auch „im Mürzthale dasselbe sehr fürchterlich gewesen sey“.

Im Leobner Zentrum wurden nur zehn von 213 Gebäuden als unbeschädigt gemeldet, acht Prozent aller Häuser im Großraum waren betroffen.

Der Bericht der sogenannten „Augenscheins-Commission“ stellte außerdem einen Schaden von insgesamt 33.752 Gulden fest, was insofern bemerkenswert ist, als es das erste Mal war, dass auch die Schadenshöhen der einzelnen Objekte erhoben wurden. Noch heute lassen sich 300 handschriftliche Dokumente im Leobner Stadtarchiv zur Katastrophe finden. So etwa die Aussage, des einstigen Bürgermeisters Josef Graf (1814 bis 1849), der das Beben als „irdisches Übel“ bezeichnete. 

So nahm auch das Mauttor samt Mautturm – der westliche Zugang über die Mur – Schaden. Dort wo der Dachstuhl des damals spitz zulaufenden Turmes ansetzte, hatten sich vier Erker aus der Mauer gelöst und es bestand Gefahr, dass sie abstürzen würden. Der spitze Turm wurde also durch eine neue Haube ersetzt. Schnell fand sich deshalb auch die neue Bezeichnung für das Leobner Wahrzeichen: der „Schwammerlturm“. Ob er das nächste große Beben übersteht?

Info: Der Schwammerlturm befindet sich unübersehbar am Hauptplatz der Stadt nahe der Murbrücke. Im obersten Turmgeschoss befindet sich ein Café.

Text: Robert Preis | www.robertpreis.com

Buchtitel: „111 schaurige Orte in der Steiermark die man gesehen haben muss!

Verlag: Emons