01/2022 – Interview mit Lutz Kreutzer

Foto: Jutta Benzenberg

Lieber Lutz, Du warst ja schon zu Gast in Graz und – soviel sei verraten – bist auch das nächste Mal beim 8. FINE CRIME FESTIVAL (30. Mai bis 3. Juni 2022) dabei. Du lebtest lange in Österreich, stammst aber aus unserem Lieblingsnachbarland. Wie kam es dazu?

Ich habe tatsächlich lange in Wien gelebt und gearbeitet. Nach einem wissenschaftlichen Stipendium der BRD an einer Dienststelle des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Wien habe ich dort ein Büro für Öffentlichkeitsarbeit ins Leben gerufen. Weil ich damals der erste Deutsche war, der im österreichischen Hoheitsdienst eine Planstelle besetzen durfte, gab es aber dafür keine Formulare. Die mussten erst mit hoher Genehmigung angefertigt werden. Aber dann ging es los. Ich habe damals mit allen möglichen Medien in Österreich zusammengearbeitet, und es sind mehr und mehr wirklich tolle Beiträge über wissenschaftliche Tätigkeiten der österreichischen Geologen gebracht worden, bis hin zur ZiB 1.

Stopp! Wer Deine Biographie kennt, weiß, dass er diese Frage so nicht stellen kann, denn die Antwort würde ein Buch füllen. Ich kürze es ab: Du warst Extremsportler (Dolomitenmann, Gleitschirmflieger, Bergsteiger), bist IT-Experte (erste Onlinezeitung in Deutschland), Geologe (als solcher nach Wien gekommen), Veranstalter des Self-Publishing-Days und bist Autor zahlreicher Romane und Sachbücher. Was fehlt in dieser Kurzbeschreibung auf jeden Fall?

Vielleicht, dass ich in Wien zum großen Liebhaber der Wiener Küche geworden bin, und natürlich, dass der österreichische Wein es mir angetan hat. Deshalb habe ich gemeinsam mit Johann Lafer, dem österreichischen Beutedeutschen, ein Kochbuch geschrieben.

Wegen Erfolgstypen wie Dir haben wir den Ausdruck „Beuteösterreicher“ lieben gelernt. Stört es Dich, wenn man Dich so nennt und fühlst Du Dich dann als Opfer?

Nein, dass ist absolut in Ordnung. Ich habe ja lange und sehr gerne in Österreich gelebt, meine beiden Söhne wohnen in Wien, ich war in Kärnten Gebietsgeologe, hatte dort ein Haus und habe über die Karnischen Alpen meine Doktorarbeit geschrieben, hatte beruflich auch oft in Salzburg, in Osttirol und in Graz zu tun und ich krieg immer noch feuchte Hände vor Freude, wenn ich über die Grenze nach Österreich fahre. Als Opfer fühlte ich mich nur, wenn ich in einem Wiener Kaffeehaus Kaffee bestellte und der Kellner mir Ohrensausen bereitete, weil er mir äußerst gelangweilt die gesamte Litanei aller österreichischen Varianten der Kaffeezubereitung herunterrasselte. Ich kenne sie ja alle, aber ich wollte einfach nur einen Kaffee. Mittlerweile bestelle ich vorbeugend Melange .

Apropos: Wie ist das bei Dir als Krimiautor? Liegt Deine Empathie eher bei den Tätern oder bei den Opfern?

Meine Empathie liegt nur bei den Autor(inn)en, weil die ja so schlecht bezahlt werden. Das ist vermutlich der eigentliche Grund, warum sie alle so viel morden.

Du hast es zum Beispiel mit Deinem Thriller „Schröders Verdacht“ auf Platz 1 bei Amazon geschafft. Sogar einen Ratgeber darüber geschrieben, wie man aufs Stockerl kommt. Hast Du 3 schnelle Tipps parat, wie man das schafft? Wir lesen das Buch trotzdem, versprochen 😉

Viel Leidenschaft, noch mehr Beharrlichkeit und ein großes Herz für Marketing.

Du hast nicht nur viel geschrieben, sondern bist auch schon unzählige Male live aufgetreten. Erinnerst du dich an einen besonders bemerkenswerten Auftritt?

Ja, bei der FINECRIME in Graz 2018. Da wurde ich mit einem Autor, der seinen Auftritt kurzfristig absagen musste, verwechselt und entsprechend laudatiert und − falsch angesagt. Ich fand das ziemlich lustig, während meine Kolleginnen und Kollegen, die neben mir saßen, den Moderator lauthals korrigierten und ihn darauf aufmerksam machten, dass ich doch Lutz Kreutzer sei. Das gab ein herrliches Lachen und Gejohle in den Zuschauerrängen. Der Moderator hat es aber dann so gedreht, dass er die Lacher wieder auf seiner Seite hatte. Ich bin dann nach vorn gegangen und habe den Moderator dafür gelobt, dass das sicherlich die charmanteste und skurrilste Ansage zu meiner Person war, die ich bisher mitbekommen hatte. Ist in meiner Erinnerung auch heute noch ein absolutes Highlight.

Jedes Gespräch kommt heutzutage irgendwann zum Thema Corona: Das Virus und die Pandemie belasten uns alle. Aber als Schreiber gefragt: Hemmt es Dich wirklich oder lassen Dir die Lockdowns die Freiheit, die Du brauchst?

Wir Autoren sitzen ja ohnehin den ganzen Tag am Schreibtisch. Ich finde es also nicht so schlimm. Klar, Lesungen mussten abgesagt werden. Was mir fehlt, das sind die Begegnungen und die Reisen, auch nach Österreich. Bei dem Wort Freiheit bin ich vorsichtig, das Wort Freiheit wird heutzutage zu oft missbraucht. Ich glaube fest daran, dass persönliche Freiheit dann an seine Grenzen stößt, wenn die Freiheit anderer eingeschränkt wird. Wir alle in Europa sind frei, und wir müssen aufeinander achten, gegenseitig unsere Freiheit und die anderer zu schützen. Freiheit ist nur wirklich schön, wenn auch andere frei sein können. Daran sollen wir alle arbeiten. Sich daher im Krisenfall ein wenig einzuschränken finde ich selbstverständlich und angebracht.

Woran arbeitest Du gerade?

An zwei Romanen. Nach meinem Roman „Die Akte Hürtgenwald“ habe ich aufgrund dieses Werks ein Förderstipendium der Bundesrepublik Deutschland bekommen, einen Folgeroman zu schreiben. Außerdem an meiner oben schon genannten Buchreihe „Schaurige Orte in …“. Das Manuskript zu „Schaurige Orte am Niederrhein“ ist gerade fertig, nun fange ich an, die Autorinnen und Autoren für „Schaurige Orte in Österreich“ zusammenzustellen. Die Reihe ist recht erfolgreich, der Schweiz-Band war meistgeordertes Taschenbuch im Schweizer Buchhandel, der München-Band ist bereits in der 6. Auflage erschienen.

Wie sieht Dein Arbeitsplatz aus?

Ein weißer Schreibtisch vor einem Fenster mit Blick auf riesige Bäume. Bis vor drei Jahren konnte ich noch die Zugspitze sehen, aber dann hat man mir ein Ärztehaus davor gebaut. Noch schöner aber ist: Ich habe nur wenige Schritte bis in die Küche!

Wie darf man sich einen normalen Arbeitstag bei Dir vorstellen?

Ungeregelt. Ich mache das, was ansteht. Da ich ja auch Verlage und Autoren in Sachen ePublishing berate, ist mein Arbeitstag abwechslungsreich. Ich habe jedenfalls keinen Druck, da ich nur noch Sachen mache, die mir wirklich Spaß machen (bis auf die Steuererklärung). Am Ende jedes Tages steht das Kochen (was ich ja als kulinarischer Autor in gewisser Weise auch zur Arbeitszeit zählen darf). Zumeist schon bei der Zubereitung dabei: ein österreichischer Weißer aus dem Kamptal, dem Wagram oder aus der Südsteiermark – ich nenne das Regiewein.

Ganz was anderes: Du bist gerne geklettert, vielleicht heute nicht mehr so extrem. Welche Berge in der Steiermark magst du besonders?

Geklettert bin ich der Steiermark noch nicht, mehr in den Dolomiten, in Kärnten, Tirol und in der Schweiz. Aber in der Steiermark habe ich das Gleitschirmfliegen gelernt, in Ramsau am Dachstein. Unvergesslich war das! Natürlich mag ich Dachstein und Gesäuse. Aber auch das südsteirische Hügelland, das ist für mich das schönste Weinanbaugebiet, das ich kenne. Dort bin ich immer wieder anzutreffen.

Wir freuen uns schon auf Dich. Du wirst ein ganz spezielles Buch beim Fine Crime vorstellen, erzählst Du uns ein bisschen davon?

Ja, da freue ich mich auch drauf. Es ist aus der oben bereits erwähnten Reihe, die ich als Herausgeber mit dem Gmeiner Verlag mache. Dieses Buch heißt „Schaurige Orte in Südtirol – unheimliche Geschichten“. Wer möchte, kann hier mehr lesen zu dieser Reihe: https://www.lutzkreutzer.de/das-projekt-die-gruseligsten-orte/

Erscheint im Frühjahr 2022 bei Gmeiner

Außer mir sind bei jedem Buch der Reihe elf weitere Autorinnen und Autoren beteiligt, die jeweils ihre liebste Schauergeschichte aufgeschrieben haben. Auch beim Südtirol-Band sind unglaublich hochklassige Erzählungen über dieses so schöne Land dabei, die einen nur so gruseln lassen. Und ich muss sagen, dass ich mich ganz besonders darauf freue, dass wir die Premierelesung zum Buch in Graz im Rahmen des FINECRIME Festivals machen können.

Übrigens, dieses Buch ist auch Auslöser einer neuen Reihe innerhalb des Festivals, denn Südtirol wird die erste Gastregion des FINE CRIME FESTIVALS sein! Danke für diesen Anstoß!

Oh, das freut mich natürlich noch mehr, dass ich den Anstoß eurer neuen Reihe geben konnte. Eine Ehre für mich!

Und Danke für das Gespräch, alles Gute und bis zum Frühling!

Sehr gern. Ich freu mich übrigens sehr, beim Fine Crime Festival wieder dabei sein zu dürfen.