02/2022 – Interview mit Sabina Naber

Foto: Mike Haberle

Liebe Sabina, schön, dass Du heuer erstmals beim Fine Crime Festival mitwirkst. Wurde auch Zeit! Du bist Wienerin, kommst aus dem Journalismus- und Regie-„Eck“ und schreibst seit 2002 regelmäßig Krimis.Würdest Du Dich selbst auch in einem Satz so beschreiben?

Vielen Dank für deine Einladung, ich freue mich wirklich sehr auf Graz! Zu deiner Frage: Nein, eher als eine Frau mit buntem Leben, die seit ihrer Kindheit eine große Leidenschaft für menschliche Abgründe hegt und deshalb Krimis schreibt. Übrigens feiere ich heuer Jubiläum: Im März vor 20 Jahren ist mein erster Kriminalroman erschienen. Ich habe schon überlegt, ob ich eine Party schmeißen soll, aber dieses Corona …

Wie darf man sich das Leben einer Autorin in Wien vorstellen? Lebst Du in einem Penthouse mit Blick zum Stephansdom oder in einem Gemeindebau in der Vorstadt? Erzählst Du uns davon?

Tatsächlich wohne ich seit ewigen Zeiten in Blickweite vom ersten Bezirk, was den ungeheuren Vor- und auch Nachteil hat, bei Großereignissen immer quasi mittendrin zu sein, wenn ich es will. Oder auch, wenn ich es nicht will. So kann es schon vorkommen, mitten in der Nacht durch dröhnende Rotorblätter aufzuwachen, verschlafen zu denken, man sei plötzlich in einem Kriegsfilm gefangen, weil Helikopter knapp über den Häusern kreisen, nur um dann festzustellen, dass Tom Cruise für seinen Film Beleuchter und Sicherheitsleute mit Hubschraubern durch Wiens Himmel schickt … Oder Fluggeräte aller Art ab fünf in der Früh die Bannmeile kontrollieren, die wegen des Besuchs von George W. Bush installiert worden ist, inklusive eines geschlossenen (!!!) Heldentors, was ich zuvor noch nie erlebt hatte.

Und Dein Arbeitsplatz? Wie sieht der aus?Er ist eine abgeschiedene Ecke im Wohnzimmer mit einem großen Tisch, vielen Büchern rundherum und Blick ins Grüne, also eher unspektakulär.Wie oft kommt es eigentlich vor, dass Du Sabine genannt wirst? Und wie sehr kämpfst Du dagegen an? Ich frage das, weil das vor vielen Jahren einer meiner ersten Fehler war und Du gleich „heftig“ reagiert hast :-)))

Das E wird mich wohl bis an mein Lebensende verfolgen, ich hoffe, dass mein Name wenigstens einst auf dem Grabstein richtig steht :))) Aber so ein kleiner Buchstabe macht nun einmal einen Unterschied aus, nicht nur bei meinem Namen … also kämpfe ich dafür!

In der Branche bist Du auch bekannt, weil Du die Criminale nach Wien geholt und die Wiener Kriminacht ins Leben gerufen hast: Das heißt, Du bist keine klassische One-Woman-Show, sondern engagierst Dich auch für die Szene, für Kollegen. Wie kam es dazu und ist das immer noch so?

Begonnen hat alles damit, dass ich gleich mit meinem ersten Roman 2002 bei der Criminale in München eingeladen und ebendort von vollen Sälen begeistert war, wo noch dazu das Publikum für eine Lesung bezahlt hat – damals in Österreich unvorstellbar. So entstand die Idee zur Kriminacht, die ich gemeinsam mit Lisa Lercher und Andreas Pittler entwickelt und dann drei Mal, immer größer werdend, umgesetzt habe, bevor Echomedia die Organisation übernommen hat. Damals gab es außerdem das Problem, dass das Feuilleton nur die beiden Krimistars Haas und Komarek im Fokus hatte, wir anderen etwa 20 bis 25 AutorInnen (darunter auch Eva Rossmann und Edith Kneifl, beide bereits in Deutschland sehr erfolgreich) befanden sich unter ihrem Radar. So entwickelten wir die Idee der Serviceseite krimiautoren.at – der Hintergedanke: Wenn jeder bei seiner Lesung für die anderen Werbung macht, kommt das allen zugute. Ich habe den Verein dann vier Jahre lang aufgebaut. Tja, ich habe immer an Solidarität geglaubt, auch wenn es in Zeiten des Wirtschaftsliberalismus und der daraus resultierenden Ellenbogengesellschaft nicht immer einfach war und ist. Mittlerweile, nachdem ich auch noch Sprecherin des Syndikats war und außerdem die von dir angesprochene Criminale nach Wien geholt hatte, ist mein Engagement nicht mehr so öffentlichkeitswirksam, weil es notwendig war, mit meiner Kraft etwas hauszuhalten – ich bekleide da einen kleinen Ehrenjob und stehe dort KollegInnen zur Seite. An welchem Buch-Projekt arbeitest Du aktuell? Verrätst Du uns ein bisschen davon? Ich arbeite aktuell tatsächlich parallel an zwei Romanen – der eine, ein Thriller, ist in der Fertigstellungsphase, der andere, Band drei meiner Wilhelm-Fodor-Serie aus den Sechzigern, nimmt gerade Gestalt an.Wann wird man Dich wieder live sehen – außer beim nächsten Fine Crime Festival am 2. und 3. Juni in Graz?Heuer nicht oft, weil ich eben in einer dichten Schreibphase bin, aber im April habe ich eine Ausstellung mit Fotoarbeiten von mir, und im Herbst folgen ein paar Lesetermine.

Viele Autoren mussten zuletzt ja unzählige Absagen hinnehmen. Wie ist es Dir in den vergangenen zwei Jahren ergangen? Womit hast Du Dich über Wasser gehalten?

Ja, die öffentlichen Auftritte waren sehr übersichtlich, wobei es 2021 schon etwas besser war, wohl nicht zuletzt aufgrund meiner Nominierung für den Leo-Perutz-Preis. Trotzdem war ich auf Ersparnisse angewiesen. Und zu meinem Glück habe ich darüber hinaus einen sehr liebevollen Mann, der eisern an meiner Seite steht.

Du bist auch Sprech- und Schreib-Trainerin. Ist das schon ein zweites Standbein von Dir?

Nein, das wird es auch nie sein. Ich gebe Wissen gern weiter, erfreue mich an den Erfolgen meiner Schützlinge, aber ich sehe mich nicht als hauptberufliche Lehrerin. Da ich bei meinem Unterricht sehr stark auf das Individuum eingehe, schließt sich – für mich – Routine aus.

Dein Multitalent kommt neuerdings auch beim Fotografieren zum Tragen. Hast Du da eine bestimmte Stilrichtung, eine Zielsetzung? Es werden hoffentlich nicht nur Tatorte sein?

Ha, überhaupt nicht! :))) Aber vielleicht sollte ich das einmal andenken? Alle Tatorte aus meinen Kurzgeschichten und Romanen, das wäre schon eine Aufgabe, mit der ich eine Zeitlang beschäftigt wäre … Nein, ich arbeite mit Schatten, Spiegelungen, etc., die aktuelle Serie ist eine abstrakte. Mir geht es um das Bild hinter dem Bild.

Das letzte Wort hast Du: Du hast vier Sätze, um das Publikum zu Deiner Fine-Crime-Lesung in Graz zu locken!

Liebe Krimifans, tauchen Sie mit mir in die bunten Sechziger ein – Miniröcke, Anzugträger, Spione, Zigaretten, Terroristen, Dirty Martini und Letkiss inklusive. Erleben Sie, dass vieles anders war, als man denkt. Und zum Drüberstreuen singen wir bei den Nummer-1-Hits von den USA bis Österreich mit!