03/2022 – Interview mit Nicole Stranzl

Foto: niki schreinlechner photography

Hallo Nicole, wir freuen uns, dass du auch heuer bei Fine Crime Festival vertreten bist. Diesmal mit einer Solo-Lesung am 2. Juni auf der Murinsel und beim großen Finale, der 6-Minuten-Lesung im Theater Komödie Graz. Für dich ist es ja ein Heimspiel. Wie ist das wirklich: Liest du lieber „zu Hause“ oder fernab der Heimat?

Hallo und danke, dass ich wieder dabei sein darf. Ich freue mich ebenso schon sehr auf die Lesungen, vor allem, weil ich heuer zum ersten Mal auf der Murinsel und beim großen Finale lesen darf. Danke noch mal an der Stelle für die Möglichkeit dazu. Jetzt aber zur Frage: Ich lese überall gern. Der Austausch mit dem Publikum ist jedes Mal ein tolles Erlebnis. Es ist schön, beim „Heimspiel“ treue Fans zu treffen, die schon vor Beginn der Lesung das neue Buch kaufen, wie es beispielsweise letztes Jahr in Gössendorf der Fall war. Ich genieße es immer sehr, mich mit ihnen auszutauschen, genauso wie es mir Spaß macht, fernab der Heimat zu lesen und neue Menschen kennenzulernen. Ich hatte letztes Jahr beispielsweise Zuhörer aus Tirol, Deutschland oder der Schweiz. Lesungen sind neben dem Schreiben für mich das Schönste am Autorenleben.

Welches Buch wirst du präsentieren?

„Gefangen – Grauen in St. Anna“. Es ist eine Mischung aus Regionalkrimi und Thriller und spielt in einem fiktiven Pflegeheim namens „St. Anna“ in Graz. Im Buch wird ein Pfleger brutal ermordet, außerdem wird die Krankheit ALS thematisiert und Themen wie toxische Beziehungen, Stalking und Mobbing werden aufgegriffen. Bevor ich als Journalistin tätig war, arbeitete ich in einer Pflegeagentur und habe sehr viel Inspiration aus meinem damaligen Alltag in den Roman einfließen lassen. So habe ich zum Beispiel einen ehemaligen Klienten zu Hause besucht und interviewt, der an ALS erkrankt ist.

Du bist ja in Gössendorf zu Hause, arbeitest mittlerweile auch als Journalistin in der Oststeiermark. Vor einigen Jahren warst du eine der Newcomerinnen beim Fine Crime, mittlerweile bist du schon Stammgast. Was hat sich in den letzten 5 Jahren für dich schriftstellerisch verändert?

Sehr viel. Mit jedem Buch und jedem Lektorat lernst du dazu. Auch konstruktive Leserkritiken bringen dich weiter. Durch meinen Job als Redakteurin habe ich natürlich zusätzlich an Schreibroutine gewonnen. Wenn ich heute meinen ersten oder auch meinen zweiten Roman betrachte, würde ich stilistisch sehr vieles ändern. Ich bin mir jedoch sicher, dass ich in fünf Jahren gleich denke, wenn ich zum heutigen Tag zurückblicke. Wir entwickeln uns stets weiter und lernen dazu. Abgesehen von Schreiben hat sich auch im Bereich der Lesungen und des Marketings sehr viel getan. Früher war ich immer sehr zurückhaltend, wenn es um die Vermarktung meiner eigenen Bücher ging. Auch das ist ein ständiger Lernprozess.

Du scheust dich auch nicht vor Nischenthemen, Krimis in der Gay-Szene sind kein einfaches Genre. Wie bist du eigentlich auf diese Spur gekommen?

Die Idee, in die Gay-Szene einzutauchen, hatte ich während des Studiums an der FH Joanneum in Graz. Mein Journalismus-Professor meinte damals, die Zukunft liege in den Nischen. In den Medien gab es zudem eine Diskussion bzgl. der Haarfarbe des neuen James-Bond-Darstellers. Daniel Craig war erstmalig blond, nach ausschließlich dunkelhaarigen Schauspielern. Ich kann mich noch erinnern, wie damals gemeint wurde: Was kommt als Nächstes? Ein schwarzer James Bond? Eine Frau? Oder gar ein Schwuler? Diese Idee hat mir gefallen.

Schwul sein wird oft mit Weiblichkeit in Verbindung gesetzt und es wird automatisch an Klischees gedacht, wie etwa der Friseur, der sich wie ein bunter Vogel kleidet und in hoher Stimme spricht. Ich wollte aufzeigen, dass schwule Männer viele Facetten haben. Natürlich gibt es Paradiesvögel und das ist auch gut so. Es gibt aber auch homosexuelle Sportler, Anwälte oder Polizisten. In meinem Fall wurden es Geheimagenten. Obwohl sich im LGBTIQ+ Bereich schon sehr viel getan hat, gibt es leider noch immer viel zu viel Diskriminierung. Durch meine Bücher versuche ich zumindest einen kleinen Teil dazu beizutragen, um dieser entgegenzusteuern. Die Homosexualität steht nicht im Zentrum meiner Geschichten. Meine Protagonisten sind schwul und ich mag auch die Dynamik, die beim Schreiben einer schwulen Beziehung zwischen den Charakteren entsteht, aber die sexuelle Orientierung ist in meinen Büchern quasi ein Nebenaspekt, denn sie ist nicht, was einen Menschen definiert.

Wie schaut dein bevorzugter Arbeitsplatz aus?

Am liebsten schreib ich zu Hause an meinen Schreibtisch auf meinem Laptop, mit Schoko in der Nähe. 😉

Was wird man als nächstes von dir lesen können bzw woran arbeitest du gerade?

Meine nächste Veröffentlichung wird ein Drama sein. Ich habe mich bei meiner Distraction-Reihe ja schon in dieses Terrain vorgewagt und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, traurige, dramatische Szenen zu schreiben. Da der Roman erstmalig aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, bin ich sehr gespannt, wie er in der Leserschaft ankommt. Es geht in dem Buch um einen italienischen Arzt ohne Grenzen, der in Afghanistan arbeitet und sich in einen amerikanischen Soldaten verliebt. Der Arzt wird von Taliban entführt und totgeglaubt. Der Soldat besucht die Heimat des Arztes, um Abschied zu nehmen und beginnt eine Beziehung mit der Zwillingsschwester des Arztes. Als dieser aus seiner Gefangenschaft zurückkehrt, wird er mit der Schwangerschaft seiner Schwester konfrontiert. In dem Buch wird nicht nur die Dreieckbeziehung thematisiert, sondern auch ein großes Augenmerk auf die tiefe Bindung der Geschwister gelegt. PTBS und eine weitere Krankheit spielen ebenso eine Rolle. Es ist mein bislang emotionalstes Buch und ich fiebere der Veröffentlichung schon sehr entgegen. Derzeit warte ich auf die Rückmeldung meiner Lektorin.

Parallel schreibe ich am zweiten Fall der Ermittler aus „Gefangen – Grauen in St. Anna“. Schauplatz wird wieder Graz sein, unter anderem ein Krematorium. In diesem Buch habe ich eine Familiengeschichte eingebunden und ein großes Thema ist Gewalt gegen Frauen.

Autoren produzieren sich via soziale Netzwerke nicht immer mit ihren Büchern. Manche bringen ihre Katzen ins Spiel, andere historische Vorbilder oder die Region in der sie leben: Was ist dein USB, um in die Unternehmersprache abzugleiten?

Ich bin wohl auch eine Autorin, die ihre Katze mit ins Spiel bringt … xD Nein, jetzt mal im Ernst. Ich denke mein USB ist meine Vielseitigkeit und meine Authentizität. Ich poste sowohl Fotos von meiner Katze, wenn sie beim Schreiben auf meinem Schoß liegt und rufe spotan zu Social-Media-Aktionen auf, wie beispielsweise zu meinen Adventlesungen. Die Idee dazu ist mir tatsächlich am Tag der Ausschreibung gekommen.

Ich versuche, ganz ich selbst zu sein und Positivität zu verbreiten. Das Interessante ist für mich die Abwechslung, das zeigt sich sowohl bei meinem Job als Lokalredakteurin als auch in den unterschiedlichen Genres, in denen ich schreibe. Und so herrscht auch auf meinen Sozialen Netzwerken viel Abwechslung: Mal verlose ich Bücher, poste Schnipsel, sende Videobotschaften oder hab auch mal eine kleine „Kurzgeschichte“ von einem „Fotoshooting“ mit meiner kleinen Schwester online gestellt. Bei all dem Ernst im Leben ist es wichtig, die Freude nicht zu verlieren. Ich will die Leute zu unterhalten, das ist ja auch der Sinn am Schreiben von Büchern.

Ist Schreiben alles, oder gibt es für dich noch mehr? Was denn zB?

Schreiben ist sehr, sehr wichtig für mich und ein Teil von mir. Ohne könnte ich nicht sein. Natürlich gibt es aber auch etwas anderes für mich. Meine Familie und meine Freunde sind mir sehr wichtig, genauso wie meine Katze und Sport. Ich laufe regelmäßig, derzeit meist zwei Mal pro Woche zehn Kilometer. Tanzen gehört zu meinen Leidenschaften, auch wenn das derzeit mit Corona nicht einfach ist.

Probieren wir es einmal mit einem Wordrap. Du darfst nicht lange überlegen für deine Antworten. Also…was fällt dir spontan ein zu

– GrazHeimat, Schule und Studium

– Hardcover vs TaschenbuchIch bevorzuge definitiv Taschenbücher, weil sie handlicher sind.

– Erfolgmuss hart erarbeitet werden und es braucht Glück dazu. Ich hoffe sehr, es mit meinen Büchern mal auf die Bestsellerliste zu schaffen.

– Krimieines meiner Lieblingsgenres

Lyrikist nichts so meins, ich bevorzuge Prosa

– Lesungenmachen sehr viel Spaß und ich darf heuer wieder einige halten. Alle Termine findet ihr auf meiner Website www.nicole-stranzl.at unter „Aktuelles“

Rotmeine Lieblingsfarbe

– Instagrameine sehr gute Möglichkeit zur Werbung und Vernetzung

– Coronanervt wirklich schon

„Tatort“schaue ich wirklich sehr, sehr selten, aber in meinen Büchern finden sich auch so einige Tatorte. 😉

Naja, die Schlagworte waren ja nicht sooo einfallsreich – die Antworten dafür umso mehr. Eine Frage noch: Wo wird man dich demnächst wieder antreffen, außer beim Fine Crime in Graz?

Am 21. April bin ich zu Gast im Kunsthaus Weiz, am 3. Mai lese ich in Hartberg, am 19. Mai bin ich in Gleisdorf beim Buchfink vertreten, in Gössendorf steht im Sommer eine Lesung an und ich bin bereits mit weiteren Veranstaltern im Gespräch. Aber wie gesagt, alle Termine findet ihr immer aktuell auf meiner Website.

Danke für das Interview.